Fachtagung und Empfang zur Verabschiedung des bremischen Kammerpräsidenten Karl Heinz Schrömgens

Fachtagung und Empfang zur Verabschiedung des bremischen Kammerpräsidenten Karl Heinz Schrömgens
27.05.2019: Große Resonanz fanden die Fachtagung ‚Perspektiven einer Psychotherapie des nächsten Jahrzehnts‘ und der anschließende Empfang zur Verabschiedung von Karl Heinz Schrömgens nach fast 20- jähriger Präsidentschaft am 24.05.19 in der Bremer KunsthalleAm 24. Mai fand anlässlich des Ausscheidens des amtierenden Bremer Kammerpräsidenten Karl Heinz Schrömgens eine Fachtagung zum Thema „Perspektiven einer Psychotherapie des nächsten Jahrzehnts“ mit anschließendem Festakt statt. Beide Veranstaltungen stießen auf breites Interesse: Weit über 100 Vertreter der Bremer Psychotherapeutenschaft, der Politik und des Gesundheitswesens waren gekommen, um über den Stand der aktuellen Psychotherapie zu diskutieren und Karl Heinz Schrömgens für sein über 20-jähriges berufspolitisches Engagement zu würdigen.

Allgemeine Wirkfaktoren vs. spezifische Faktoren

Karl Heinz Schrömgens
Karl Heinz Schrömgens

Karl Heinz Schrömgens

Karl Heinz Schrömgens eröffnete die Tagung mit einigen Überlegungen zum Stand der Psychotherapie und der Psychotherapieforschung in Deutschland. Basierend auf Forschungsergebnissen, die eine vergleichbare Wirksamkeit aller theoretisch fundierten Psychotherapien ausweisen, hob er die Bedeutsamkeit allgemeiner Wirkfaktoren hervor, die bislang weder in der Forschung noch im aktuellen Gesundheitswesen ausreichende Würdigung fänden. Gleichzeitig mahnte er an, dass die Kluft innerhalb der Profession nur überwunden werden könne, wenn man über Verfahrensgrenzen hinweg zu einer gemeinsamen Sprache finde und Gemeinsamkeit über Unterschiede stelle. Dies erfordere jedoch auch ein Umdenken der Gesundheitspolitik, die in der anstehenden Reform der Psychotherapeutenausbildung durch die geplante Legaldefinition an der traditionellen Verfahrensbezogenheit festhalte.

Prof. Winfried Rief
Prof. Winfried Rief

Prof. Winfried Rief

Von einer schulenorientierten zu einer kompetenzorientierten Psychotherapie-Qualifikation Auch der erste Referent, Professor Winfried Rief, Lehrstuhlinhaber für Klinische Psychologie an der Philips-Universität Marburg und Sprecher der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, betonte in seinem Vortrag, dass das aktuelle verfahrensbezogene Denken weder der Praxis noch dem Stand der Forschung gerecht werde. Er plädierte dafür, psychotherapeutisches Handeln an relevanten Störungsmechanismen bzw. Kompetenzen auszurichten. Als Beispielmechanismen nannte er Emotionsregulation oder Beziehungsfähigkeiten, die auch in der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung zentrale Lernziele bilden sollten. Er illustrierte seine Ausführungen am Beispiel der erwartungsfokussierten Psychotherapie, die Patientenerwartungen als relevant für sowohl das Fortbestehen von Störungen als auch für den Erfolg von Behandlungen betrachtet.

Dr. Ulrike Borst
Dr. Ulrike Borst

Dr. Ulrike Borst

Entwicklungslinien der Systemischen Therapie – wie halten wir es mit der Spezifität und den Common Factors Als nächstes zeichnete Frau Doktor Ulrike Borst, Vorsitzende der Systemischen Gesellschaft sowie Leiterin des Ausbildungsinstituts für Systemische Therapie in Meilen/Zürich, die „Entwicklungslinien der Systemischen Therapie“, auch anhand ihres persönlichen Werdegangs, nach. Sie plädierte aus systemischer Sicht dafür, von einer störungsspezifischen Behandlung weg zu einer Konzentration auf wiederkehrende Problemkonstellationen oder Muster zu kommen und stellte heraus, wie die systemische Perspektive hierfür einen Ansatzpunkt bilden könne. Gleichzeitig fasste sie noch einmal prägnant die aktuellen Probleme der systemischen Therapie zusammen: Nach der wissenschaftlichen Anerkennung des Verfahrens im letzten Jahr stehe man vor einer Situation, in der es in den letzten 20 Jahren keinen Nachwuchs mehr gegeben habe. Es gebe in Deutschland keine Lehrstühle für systemische Therapie und auch keine relevanten Weiterentwicklungen der Behandlungstheorie. Frau Borst betonte, dass man sich diesen Herausforderungen stellen wolle. Für die Arbeit in der Versorgung nannte sie als Ziel, die Möglichkeit von Mehrpersonensettings oder Netzwerkgesprächen stärker in die Diskussion zu bringen und so eine Bereicherung für die aktuelle Versorgung zu erlangen.

Prof. Rainer Richter
Prof. Rainer Richter

Prof. Rainer Richter

Perspektiven der Psychotherapie – Ein Blick zurück in die Zukunft Zum Abschluss thematisierte Professor Rainer Richter, langjähriger Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, „Perspektiven der Psychotherapie – Ein Blick zurück in die Zukunft“. Auch er betonte die Bedeutung der common factors für den therapeutischen Prozess und den Therapieerfolg und stellte die Hypothese in den Raum, dass erfolgreiche Therapien in jedem Fall mit Übertragungsprozessen arbeiten. Für eine Berufsqualifikation bedeutet dies Zugang zum eigenen Unbewußten entwickeln. Unter Bezugahme auf die Analysen von Wampld, Imel und Fückiger, die im letzten Jahr unter dem Titel „Die Psychotherapie-Debatte“ in deutscher Sprache erschienen sind, sieht er gute Bedingungen gegeben, um zu einem Wechsel der Betrachtungsweise zu gelangen. Durchschnittliche Effektstärken bei allgemeinen Faktoren von 0,8 stünden Effektstärken von unter 0,1 bei spezifischen verfahrensbezogenen Faktoren gegenüber. Dies müsse einen stärkeren Eingang in die Debatte um Anedrkennung von psychotherapeutischen Verfahren in Deutschland, vor allem aber auch in die Aus- und Weiterbildung von Psychotherapeuten finden.

Hans Schindler
Hans Schindler

Hans Schindler

Schlussfolgerungen für die Ausbildung? Die Tagung schloss mit einer Podiumsdiskussion, die die Referenten untereinander und mit dem Auditorium in Austausch brachte. Moderiert wurde sie von Hans Schindler. In der Diskussion wurde zunächst noch einmal hinterfragt, ob die mechanismenorientierte Therapie, die Winfried Rief vorgeschlagen hatte, nicht noch wieder spezifische Wirkfaktoren in den Vordergrund rücke. Rief führte dazu aus, dass eine isolierte Betrachtung von spezifischen oder unspezifischen Faktoren wenig Sinn ergebe – dazu sei das psychotherapeutische Geschehen zu komplex. Vielmehr würden entsprechende Faktoren interagieren: So bilde ein Patient eine positive Behandlungserwartung, wenn sein Therapeut ihm ein begründetes Vorgehen zur Behandlung seines Problems vorschlagen würde. Rainer Richter rückte dagegen die Gestaltung eines therapeutischen Beziehungsangebots in den Mittelpunkt.

Podium v,l.: K.H.Schrömgens, W.Rief, U. Borst, H. Schindler, R. Richter

Der zweite Teil der Diskussion stellte sich aktuellen Problemen im Zusammenhang mit der geplanten Reform des Psychotherapeutengesetzes und der Frage: Wie sollen zukünftig Psychotherapeuten ausgebildet werden? Was braucht man, um ein guter Psychotherapeut zu werden? Dabei wurde auch die Rolle der Universitäten adressiert, die nun stärker in die praktische Ausbildung von Psychotherapeuten einbezogen würden. Alle Tagungsbeiträge sowie die Podiumsrunde wurden von den Zuschauern interessiert verfolgt, was auch die Beiträge aus dem Auditorium im Rahmen der Diskussion zeigten.

Große Wertschätzung für das Wirken von Karl Heinz Schrömgens Ab 18 Uhr fand der Empfang zur Verabschiedung des scheidenden Kammerpräsidenten statt, der von dem Bremer Gitarristen Thorsten Plath stimmungsvoll musikalisch unterrahmt wurde. 180 Gäste aus Gesundheitswesen und Politik, aus den Landespsychotherapeutenkammern bundesweit und aus der bremischen Kammerzughörigkeit waren der Einladung gefolgt. Der stellvertretende Präsident der Kammer Bremen, Hans Schindler, nutzte seine Begrüßung, um Karl Heinz Schrömgens, seinen Werdegang und sein vielfältiges Engagement in der Versorgung psychisch kranker Menschen in Bremen zu würdigen.

Prof. Eva Quante-Brandt
Prof. Eva Quante-Brandt

Prof. Eva Quante-Brandt

Das erste Grußwort sprach die Bremer Senatorin für Gesundheit, Wissenschaft und Verbraucherschutz, Frau Professor Eva Quante-Brandt. Auch sie würdigte das große Engagement von Karl Heinz Schrömgens und die gewachsene Zusammenarbeit zwischen Behörde und Kammer bei Themen wie dem Erhalt des Studiengangs Psychologie und aktuell in der Entwicklung des neuen Psychotherapeutengesetzes. Viel Applaus erhielt Doktor Dietrich Munz, aktueller Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, für seine Worte. Er betonte vor allem die Rolle von Karl Heinz Schrömgens auf Bundesebene; seinen Einsatz bei der Neukonstituierung zunächst der Bremer und später der Bundespsychotherapeutenkammer. Er würdigte dabei auch, dass neben dem Engagement für Bremen unter Karl Heinz Schrömgens auch immer wieder aktuelle gesellschaftliche Themen mit in den Blick genommen wurden, wie die Resolutionen gegen Folter und für die Würde des Menschen, die jeweils auf den in Bremen statt findenden Deutschen Psychotherapeutentagen verabschiedet worden waren.

Roman Rudyk
Roman Rudyk

Roman Rudyk

Zum Abschluss ergriff Roman Rudyk, Präsident der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen, das Wort. Er berichtete von einem gewachsenen Vertrauensverhältnis trotz anfänglicher Differenzen auf berufspolitischer Ebene und machte – wie auch seine Vorredner – deutlich, dass Karl Heinz Schrömgens nicht immer ein bequemer, doch immer ein fairer, interessierter und engagierter Streiter für die Belange von Patienten und Psychotherapeuten gewesen sei.

‚Standing Ovations‘ für Karl Heinz Schrömgens

Das Auditorium machte den tiefen Respekt vor der Arbeit und der Person Karl Heinz Schrömgens durch Standing Ovations zum Abschluss der Grußworte deutlich. Während des anschließenden Empfangs war bei Fingerfood und Getränken die Möglichkeit, sich informell auszutauschen. Auch hier drehten sich viele Gespräche um Anekdoten und Begebenheiten in der Zusammenarbeit mit Karl Heinz Schrömgens, der mit seinem Ausscheiden aus dem Kammervorstand eine Lücke hinterlässt, die nur schwer zu füllen sein wird.