Brauchen wir Weiterbildungen im Bereich Klinischer Somatopsychotherapie?

Brauchen wir Weiterbildungen im Bereich Klinischer Somatopsychotherapie?
11.05.2016: 34. Kammerversammlung der PK Bremen diskutierte neue Arbeitsfelder für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und verabschiedete eine Resolution zur Überarbeitung der Psychotherapie-Richtlinie

Gespannte Aufmerksamkeit bei den Teilnehmern
Gespannte Aufmerksamkeit bei den Teilnehmern

Gespannte Aufmerksamkeit bei den Teilnehmern

Am 10.05.16 fand in neuer Umgebung die 34. Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Bremen statt. Schwerpunkt der Veranstaltung war ein Vortrag über aktuelle Überlegungen zur Einrichtung weiterer Weiterbildungsgänge im Bereich der Somatopsychotherapie. Dazu konnte die PK Bremen Frau Doktor Andrea Benecke als Vortragende gewinnen, die als Mitglied der BPTK Kommission „Zusatzqualifizierung“ kompetent und mit hoher Informationsdichte über den Stand der Diskussion berichtete.

Aufgaben der BPTK-Kommission „Zusatzqualifizierung“
Frau Benecke begann im ersten Teil ihres Vortrags die bisherige Arbeit der Kommission „Zusatzqualifizierung“ der BPTK zu schildern. Diese hatte bereits im Jahr 2012 durch den 21. Deutschen Psychotherapeutentag den Auftrag erhalten, geeignete Bereiche für die Weiterbildung von Psychologischen Psychotherapeuten zu identifizieren und zu beschreiben. Der entsprechende Bericht wurde im Herbst letzten Jahres vorgelegt.
Die Kommission habe im Rahmen ihrer Beratungen zunächst Evaluationskriterien entwickelt, durch die aus der Vielzahl möglicher Weiterbildungsgebiete relevante Bereiche ausgewählt werden sollten. Zu diesen Kriterien gehören bedarfsorientierte Kriterien, wie unter anderem- Eine hohe Prävalenz der körperlichen Grunderkrankung, – Eine hohe Komorbidität mit psychischen Erkrankungen und – Die aktuelle Versorgungssituation der jeweiligen Patientengruppe. Zusätzlich wurden inhaltliche Kriterien berücksichtigt, wie z.B. die Existenz von Behandlungsleitlinien für die entsprechende Grunderkrankung, die auf die Notwendigkeit psychotherapeutischer Mitbehandlung verweisen, und damit einhergehend auch das Entwicklungspotential für Psychotherapie in diesem Bereich. Auf Basis dieser Kriterien identifizierte die Kommission „Zusatzqualifizierung“ zunächst fünf Bereiche, die für die Einrichtung von Weiterbildungsgängen geeignet erscheinen. Diese Bereiche sind im Einzelnen:- Pallliativpsychotherapie, also die psychotherapeutische Versorgung von Sterbenden,
Psychotherapie bei Diabetes,

Psychotherapie bei onkologischen Erkrankungen,

Psychotherapie bei kardiologischen Erkrankungen und

Spezielle Schmerzpsychotherapie.

All diesen Bereichen sei gemein, dass die körperliche Symptomatik mit Einschränkungen einhergehen, die die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten psychischer Probleme erhöhen bzw. psychologische Faktoren in der Behandlung (z.B. Fragen der Compliance, Notwendigkeit von Verhaltensänderungen) berücksichtigt werden müssen. Gleichzeitig würden in diesen Bereichen entsprechende psychotherapeutische Angebote fehlen, insbesondere dann, wenn durch den medizinischen Fortschritt eine zunehmende Verlagerung der medizinischen Versorgung in den ambulanten Bereich stattgefunden habe.

Zur Person: Dr. Andrea Benecke leitet die Hochschulambulanz der Universität Mainz und den dort angesiedelten Weiterbildungsgang „Psychodiabetologie“. Sie ist Vizepräsidentin der Landeskammer Rheinland-Pfalz und seit letztem Jahr im Vorstand der Bundespsychotherapeutenkammer
Zur Person: Dr. Andrea Benecke leitet die Hochschulambulanz der Universität Mainz und den dort angesiedelten Weiterbildungsgang „Psychodiabetologie“. Sie ist Vizepräsidentin der Landeskammer Rheinland-Pfalz und seit letztem Jahr im Vorstand der Bundespsychotherapeutenkammer

Zur Person: Dr. Andrea Benecke leitet die Hochschulambulanz der Universität Mainz und den dort angesiedelten Weiterbildungsgang „Psychodiabetologie“. Sie ist Vizepräsidentin der Landeskammer Rheinland-Pfalz und seit letztem Jahr im Vorstand der Bundespsychotherapeutenkammer

Weiterbildungen in Klinischer Somatopsychotherapie: Vor- und Nachteile Im weiteren Verlauf des Vortrags arbeitete Frau Benecke eine Reihe von Vorteilen einer curricularen Weiterbildung in Bereichen der klinischen Somatopsychologie heraus. Dazu zählte sie:

Verbesserung der Versorgungsqualität durch die Schaffung qualifizierter Angebote für bestimmte Patientengruppen,

Bessere Darstellbarkeit von Wissen und Qualifizierung durch Zusatztitel, die nur im Rahmen von anerkannten Weiterbildungsgängen, nicht aber durch Fortbildung erworben werden können,

Damit einhergehend auch eine höhere Attraktivität für Psychotherapeuten, sich weiter zu qualifizieren sowie

Eine höhere Transparenz für Patienten und Überweiser auf der Suche nach geeigneten Behandlungsangeboten.

Bessere Darstellbarkeit von psychotherapeutischen Leistungen, z.B. im Rahmen von Leitlinien für die Versorgung bestimmter Patientengruppen, durch die Möglichkeit für Sonderbedarfszulassungen und Ermächtigungen für die spezialisierte Versorgung oder durch die Berücksichtigung in Selektivverträgen zur Integrierten Versorgung. Hier ist auch für den stationären Kontext die bessere Abbildbarkeit psychotherapeutischer Leistungen im Entgeltsystem PEPP zu nennen.

Dadurch insgesamt eine Zunahme der Bedeutsamkeit von psychologischer Psychotherapie bei Körperlichen Erkrankungen. Neben dem individuellen Wunsch nach Weiterqualifizierung käme der Einrichtung entsprechender Weiterbildungsgänge dadurch auch berufspolitische Bedeutung zu.

Die Vortragende betonte, dass Weiterbildungen keine Aus- oder Abgrenzung von Tätigkeitsfeldern zur Folge habe. Auch Kollegen ohne entsprechende Weiterbildung könnten weiter mit den jeweiligen Patientengruppen arbeiten. Gleichzeitig würden entsprechende Weiterbildungen nicht dazu führen, dass sich Psychotherapeuten auf eine Patientengruppe spezialisieren müssten. Vorteil der Weiterbildung gegenüber Fortbildungen sei eine stärkere Sichtbarkeit der Qualifikation durch das Führen von Zusatztiteln, die eher im Sinne einer Werbewirkung für den weitergebildeten Kollegen zu verstehen sei. Frau Benecke setzte sich auch mit Kontra-Argumenten gegen die Einführung entsprechender Weiterbildungsangebote auseinander. Diese bestünden vor allem im Bedenken, dass eine immer weiterführende Spezialisierung von Psychotherapeuten mit einer Abwertung der Approbation einhergehen würde. Frau Benecke setzte diesem Argument entgegen, dass die Weiterbildungen nicht zu einer Aus- oder Abgrenzung von einzelnen Behandlungsbereichen führt, d.h. entsprechende Weiterbildungen nicht als Voraussetzung für die Behandlung bestimmter Patientengruppen gesehen würden. Vielmehr seien sie die Grundlage für ein spezialisiertes Behandlungsangebot bei bestimmten Problemstellungen, ähnlich dem Zusatztitel „Sportmedizin“ bei Internisten oder Allgemeinärzten. Entsprechende Weiterbildungen könnten dazu beitragen, dass qualifizierte Psychotherapeuten die Leitung entsprechend ausgerichteter Behandlungseinrichtungen übernehmen könnten. Dies sei beispielsweise im Bereich der Schmerzpsychotherapie bereits der Fall. Damit gehe ein zweites Gegenargument einher: Die Einführung entsprechender Weiterbildungen trage natürlich auch zu Differenzierungsprozessen und Hierarchisierung in Behandlungsteams bei. Dies erachtete Frau Benecke allerdings durchaus auch als gewollt – höhere Qualifikation solle natürlich auch mit entsprechender Verantwortung und ggfs. auch mit besserer Bezahlung einhergehen.

Erfahrungen aus Rheinland-Pfalz Im zweiten Teil ihres Vortrags schilderte Frau Benecke die Erfahrungen mit somatopsychologischen Weiterbildungsgängen aus Rheinland-Pfalz. Rheinland-Pfalz hat als einziges Bundesland in seiner Weiterbildungsordnung zwei somatopsychologische Bereiche verankert: Neben einer speziellen Schmerzpsychotherapie-Weiterbildung existiert dort die Weiterbildung „Psychodiabetologie“. Frau Benecke stellte kurz Inhalte und Umfang dieser Weiterbildungsangebote dar, und betonte, dass das Ziel der Weiterbildungen sei spezialisierte Therapieangebote für Menschen zu schaffen, die Probleme mit ihrer körperlichen Erkrankung, z.B. durch ein mangelhaftes Krankheitsmanagement, haben. Frau Benecke stellte besonders heraus, dass durch die vermittelten medizinischen Kenntnisse eine Zusammenarbeit und Kommunikation mit Ärzten „auf Augenhöhe“ möglich sei. Gleichzeitig vermittelte sie eindrücklich den Bedarf an entsprechenden Angeboten: In der spezialisierten Psychodiabetologie-Abteilung der Hochschulambulanz Mainz gebe es mittlerweile eine Warteliste von zwei Jahren auf einen Behandlungsplatz. Zuweisende Ärzte seien froh über das Behandlungsangebot, da die ambulante psychotherapeutische Versorgung von Patienten mit schwierigen Behandlungsverläufen häufig unzureichend sei.

Im Anschluss an den Vortrag ergab sich eine lebhafte Diskussion über mögliche Vor- und Nachteile derartiger Weiterbildungsangebote. Einige Kollegen mit Erfahrungen im Bereich Psychotherapie bei komorbiden körperlichen Erkrankungen hatten, betonten die Wichtigkeit und den Wert fundierter medizinischer Kenntnisse über die jeweilige Erkrankung. Gleichzeitig wurde eine entsprechende Weiterbildung als zu aufwändig wahrgenommen und auf entsprechende Fortbildungsangebote hingewiesen.

Versammlung beschloss mit großer Mehrheit Änderungen der Satzung und der Ordnung über Aufwandsentschädigungen und Reiskosten
Nach Abschluss der Diskussion wurde zunächst über einige Veränderungen der Satzung der PK Bremen abgestimmt. Diese Änderungen waren vor dem Hintergrund des Ende 2015 neu in Kraft getretenen Heilberufsgesetzes im Land Bremen notwendig geworden. Ebenfalls wurden Regelungen zu Reiskosten neu gefasst.

Resolution zur Überarbeitung der Psychotherapie-Richtlinie Im Bericht des Vorstands gab Karl Heinz Schrömgens einen kurzen Überblick über den Stand der Überarbeitung der Psychotherapie-Richtlinien, die im Rahmen des 2015 eingeführten Versorgungsstärkungsgesetzes gefordert wurde. Wesentliche Veränderungen betreffen dabei die Einführung einer psychotherapeutischen Sprechstunde, die als verpflichtend für die Aufnahme ambulanter Psychotherapie gelten soll, die Einführung neuer Behandlungskomponenten, wie einer Akutbehandlung oder expliziter Rezidivprophylaxe. Aus Sicht der Bremer Kammer sind damit in den Vorschlägen begrüßenswerte Impulse, aber auch eine weitere Formalisierung und Einschränkung der freien Berufsausübung enthalten.

Aktuell geben Bundespsychotherapeutenkammer, Bundesärztekammer sowie der Bundesdatenschutzbeauftragte Stellungnahmen zu den Entwürfen ab. Der Vorstand der PK Bremen hat im Zuge des Stellungnahmeprozesses detaillierte Rückmeldungen an die BPTK gegeben – die Kammerversammlung unterstützte diese Meinungsäußerung durch die Verabschiedung einer entsprechenden Resolution.

Eine erste Entscheidung über die Neufassung der Richtlinien wird am 16.6. dieses Jahres erfolgen. Der Vorstand der PK Bremen kündigte an, nach der Sommerpause eine Informationsveranstaltung für Mitglieder durchzuführen und über Inhalte und Implikationen der neuen Richtlinien zu informieren.