33. Kammerversammlung: Wie kann Versorgung in Bremen besser gelingen?
33. Kammerversammlung: Wie kann Versorgung in Bremen besser gelingen?
01.12.2015: Diskussion mit Peter Kurt Josenhans (AOK) auf der 33. Kammerversammlung – Ausschüsse und DPT- Delegierte neu gewähltAm 17.11.2015 lud der neu gewählte Vorstand zur ersten Kammerversammlung der neuen Amtsperiode ein. Auf der Tagesordnung stand neben Berichterstattung des Vorstandes über die Tätigkeit der ersten Monate seit der Neuwahl, der Beschlüsse über Haushalt und Beitragshebesatz, der Neuwahl der Ausschüsse und der Delegierten für den Deutschen Psychotherapeutentag ein Austausch mit dem Direktor Versorgung der AOK Bremen/Bremerhaven zur Versorgungssituation.
Zu hohe Ausgaben bei geringer Morbiditätslast
Zum ersten Mal in der Geschichte der Bremer Psychotherapeutenkammer war ein Vertreter der Krankenkassen zu einer Kammerversammlung als Hauptredner eingeladen. Herr Peter Kurt Josenhans, seit 2013 Direktor für Versorgung der AOK Bremen/ Bremerhaven, stellte „Erwartungen an die Psychotherapeutenschaft aus Sicht der größten bremischen Krankenkasse“ vor. Herr Josenhans präsentierte zunächst einige eindrückliche Zahlen zu den Kosten stationärer und ambulanter psychotherapeutischer Versorgung.
Die AOK habe im Jahr 2014 rund 27 Mio. Euro für stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung ausgegeben – dies entspricht einem Betrag von 122€ jährlich pro Versicherten. Dem gegenüber stünden rund 33€ pro Versicherten Ausgaben für ambulante Psychotherapie. Damit nehme Bremen im Bundesvergleich einen Spitzenplatz im Bereich der Versorgungskosten für stationäre Psychotherapie ein. Bedauerlich sei dabei, dass der Anteil ambulanter Behandlungen am Gesamtvolumen der Psychotherapiekosten seit Jahren konstant geblieben sei. Die Kasse wünsche sich eine stärkere Verlagerung der Versorgung in den ambulanten Bereich; gleichzeitig sehe sie dabei eine Reihe von Problemen. Eines dieser Probleme sei die vergleichsweise geringe Morbiditätslast im Rahmen der ambulanten Versorgung. Herr Josenhans erläuterte, dass die Kassen Gelder aus dem Gesundheitsfond aufgrund der Alters- und Geschlechtsverteilung ihrer Versicherten erhielten sowie auf Basis einer Morbiditätskomponente, die auf Basis der vergebenen Diagnosen ermittelt wird. In Bremen gebe es hier eine negative Entwicklung der Morbiditätslast im Vergleich zu anderen Bundesländern, so dass den hohen Kosten der psychotherapeutischen Versorgung auf der anderen Seite sinkende Einnahmen aus dem Gesundheitsfond gegenüberstünden. Er erläuterte, dass insbesondere nicht näher bezeichnete Diagnosen (Fxx.9) sowie Anpassungsstörungen mit deutlich geringeren Einnahmen für die Kasse verknüpft sein. In Bremen würden darüber hinaus insgesamt deutlich weniger Diagnosen kodiert als im Bundesdurchschnitt. Dies führe dazu, dass insgesamt weniger Geld für die Versorgung psychisch kranker Menschen zur Verfügung stände. Die AOK plädiere daher eindringlich dafür, trotz eventuell bestehender Bedenken hinsichtlich möglicher Stigmatisierung auch das Vorliegen „schwerer“ psychiatrischer Diagnosen zu kodieren.
Verbesserung der Versorgung durch Stilllegung von Sitzen?
Eine rege Diskussion entfachte sich an der Frage der allgemeinen Versorgungssituation mit ambulanter Psychotherapie in Bremen. Aus Sicht der AOK liege ein Problem darin, dass nicht in jedem Fall der Versorgungsauftrag durch niedergelassene Psychotherapeuten erfüllt werde. Darüber hinaus werde das Instrument der halben Kassensitze nicht ausreichend genutzt. Von Seiten der Psychotherapeutenschaft wurde für diese Perspektive Unverständnis geäußert, da die AOK als Kassenvertreter im Zulassungsausschuss wiederholt an der Entziehung von halben Sitzen ohne Neuausschreibung beteiligt gewesen sei – dies sei nicht mit einem Versorgungsinteresse vereinbar. Gerade junge Psychotherapeuten könnten durch die Ausschreibung dieser Sitze die Möglichkeit erhalten, die real existierenden Versorgungslücken zu schließen. Die Anwesenden forderten Herrn Josenhans auf, die Kasse solle sich stärker für den Erhalt von Sitzen einsetzen. Herr Schrömgens verwies dabei noch einmal auf Zahlen der KV, nach denen im Jahr 2012 durchschnittlich 26 Therapiesitzungen wöchentlich durch niedergelassene Psychotherapeuten abgerechnet worden seien – in Bremerhaven liege diese Zahl sogar bei 30 Therapiewochenstunden. Es könne also keine Rede davon sein, dass die Bremer Psychotherapeuten zu wenig arbeiteten. Herr Josenhans rief noch einmal dazu auf, andere Versorgungsmodelle, wie Anlaufpraxen oder Jobsharing zur Verbesserung der Versorgung zu überdenken.
Trotz inhaltlich unterschiedlicher Perspektiven wurde der Austausch von beiden Seiten als konstruktiv und informativ erlebt und weitere Veranstaltungen zur Fortsetzung des Diskurses angeregt.
Bessere Versorgung von Flüchtlingen im Fokus
Der Bericht des Vorstands thematisierte schwerpunktmäßig noch einmal die aktuelle Situation bei der psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen. Karl Heinz Schrömgens wies für den Vorstand auf die neu geschaffene Möglichkeit hin, eine Ermächtigung für die Versorgung traumatisierter Flüchtlinge bei der KV zu beantragen. Dies sei durch Institutionen ebenso möglich wie durch Einzelpersonen, wobei neben der Approbation und Fachkundenachweis keine weiteren Voraussetzungen für die Beantragung definiert worden seien. Die Vergütung von Dolmetschern sei dadurch jedoch nicht geregelt – nach wie vor gebe es keine reguläre Möglichkeit, auf ausgebildete Dolmetscher zuzugreifen und die Kosten dafür erstattet zu bekommen. Die Kammer ist im Gespräch mit den zuständigen Ressorts, um Lösungen zu finden.
Neuwahlen der Ausschüsse und Delegierten
Ein zweiter Schwerpunkt der Versammlung lag auf der Wahl der Ausschüsse und der Delegierten für den Deutschen Psychotherapeutentag (DPT). Hier galt zunächst der Dank allen Kammermitgliedern, die ehrenamtlich in einem der Ausschüsse bzw. dem neu einberufenen Arbeitskreis „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“ tätig waren. Hans Schindler und Karl Heinz Schrömgens überreichten Weinpräsente an die bisherigen Ausschussmitglieder und bedankten sich für die geleistete Arbeit.
Erfreulicherweise konnten auch für die folgende Amtsperiode Mitglieder für die Ausschussarbeit gewonnen werden. So wird der Beschwerde- und Schlichtungsausschuss seine Arbeit unter dem Vorsitz von Herrn Lorenz Böllinger mit den Kollegen Christoph Eschenröder, Margarete Meyer zu Altenschildesche, Marianne Paetow sowie Hilke Schröder fortsetzen, als Stellvertreter wurden Gabriele Graf und Christoph Sülz bestimmt. Für den Finanzausschuss übernimmt Franca Collmann den Vorsitz von Frau Angelika Thiele-Flor, die aus der Ausschussarbeit ausscheidet. Frau Collmann wird unterstützt von Karin Borowski und Christoph Sülz sowie Frau Silke von Weihe als Stellvertreterin. Der Fort- und Weiterbildungsausschuss wird zukünftig durch Ingrid Koop als Vorsitzende sowie durch Renate Flor, Kira Geisler, Alfred Hovestadt, Christoph Ralfs, Magnus Vorwold und Susanne Al-Wiswasi vertreten. Als stellvertretende Mitglieder wurden Dorothee Reinecke, Luise Nickel und Thomas Lang gewählt.
Als Delegierte für den DPT schlug der Vorstand der Bremer Kammer vor, Wiebke Rappen, Amelie Thobaben und Hans Schindler regulär zu entsenden, um eine enge Verknüpfung zwischen Vorstandsarbeit und DPT zu ermöglichen. Die vorgeschlagene Liste wurde mit großer Mehrheit von der Versammlung bestätigt. Als Stellvertreter wurden Franca Collmann, Sylvia Helbig-Lang und Christoph Ralfs gewählt.