30. Kammerversammlung beschäftigt sich mit wichtigen Themen

30. Kammerversammlung beschäftigt sich mit wichtigen Themen
19.05.2014: Mitglieder verabschieden mehrere Resolutionen und setzen sich mit Weitergabe von Praxen auseinanderStark besucht war die 30.Kammerversammlung der Bremer Psychotherapeutenkammer, die am 13. Mai stattgefunden hat – nicht wie gewohnt im Bürgerhaus Weserterrassen, sondern im Fortbildungszentrum der Ärztekammer. Insgesamt 64 Mitglieder folgen der Einladung des Kammervorstandes, der ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt hatte, das offenbar viele Mitglieder interessiert: Reformbedarf in der ambulanten und stationären Versorgung. Timo Harfst, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundespsychotherapeutenkammer, führte die Anwesenden mit einem interessanten Vortrag in das Thema ein. Ein weiterer wichtiger Punkt an diesem Abend war die Frage, wie die Weitergabe psychotherapeutischer Praxen angesichts einer rigider werdenden Zulassungspraxis gestaltet werden kann. Hierzu nahmen der Justitiar der Kammer, Bernd Rasehorn, und Kammermitglied Amelie Thobaben Stellung. Darüber hinaus verabschiedeten die Mitglieder gleich drei Resolutionen. Dabei ging es um die geplante Schließung des Studiengangs Psychologie an der Bremer Universität, um den Erhalt psychotherapeutischer Kassensitze im Land Bremen und um eine Reform der Rahmenbedingungen für Psychotherapie (siehe Anhänge).

Reformbedarf in der psychotherapeutischen Versorgung Timo Harfst wies in seinem Vortrag auf die zunehmende Bedeutung der Psychotherapie für die gesundheitliche Versorgung in Deutschland hin. So habe die jüngste Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) gezeigt, dass etwa 27 Prozent der Erwachsenen im Jahresverlauf an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung leiden. Die gestiegene Bedeutung könne auch daran erkannt werden, dass in allen S3-Leitlinien für die Behandlung psychischer Erkrankungen Psychotherapie als die zentrale Therapiemethode alleine oder neben pharmakologischer Behandlung empfohlen werde. Demgegenüber stehe ein erschwerter Zugang zu psychotherapeutischen Leistungen. Die Wartezeiten auf ein Erstgespräch variierten von Bundesland zu Bundesland zwischen bestenfalls knapp neun und schlimmstenfalls nahezu 20 Wochen. Auch wenn dies von interessierter Seite immer wieder behauptet werde, lägen die Ursachen des Versorgungsproblems nicht daran, dass Psychotherapeuten zu wenig arbeiteten, dass es eine „Überversorgung“ in Großstädten gebe und die Therapien zu lange dauerten. Vielmehr fehle es an einer Steuerung des Zugangs, an differenzierter Versorgung und an der Integration psychotherapeutischer Kompetenz. Diese scheine auch die Bundesregierung verstanden zu haben. Aus dem Koalitionsvertrag der CDU/CSU und der SPD gehe hervor: „Wir wollen in der psychotherapeutischen Versorgung Wartezeiten reduzieren und mehr Betroffenen ein zeitnahes Angebot für eine Kurzzeittherapie eröffnen. Hierzu werden wir das Antrags- und Gutachterverfahren entbürokratisieren, die Gruppentherapie fördern und den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragen, in einer gesetzlich definierten Frist die Psychotherapie-Richtlinie zu überarbeiten. Die bestehenden Befugniseinschränkungen für Psychotherapeuten werden wir überprüfen.“ Harfst warb in seinem Vortrag dafür, dass die Psychotherapeutenschaft sich aktiv in die anstehenden Reformen einbringt und eigene Vorschläge unterbreitet. Das Festhalten am Status quo könne keine Antwort sein. Die Psychotherapeuten von Morgen müssten ein ergänzendes Angebot zur hausärztlichen Praxis unterbreiten, quasi eine Lotsenfunktion für die Patienten übernehmen. Dazu bedürfe es umfassender Koordinationsaufgaben, die beispielsweise durch Einrichtung einer Psychotherapeutischen Sprechstunde bewältigt werden könnten. Leistungen dieser Sprechstunde: Erstuntersuchung und Anamnese, Orientierende Erstdiagnostik, Vorläufige Indikationsstellung und Verweis bzw. Überweisung zu einem bedarfsgerechten Versorgungsangebot. Dazu müsse in jedem Fall die Psychotherapie-Richtlinie überarbeitet werden. Zudem solle die die Gruppentherapie eine Aufwertung und Förderung erfahren, u.a. durch eine Befreiung vom Gutachterverfahren und durch eine bessere Honorierung. Auch sollte es evidenzbasierte Erweiterungen der Indikationen für Psychotherapien geben und eine Erhaltungstherapie bei chronischen Erkrankungen.

Besonderes Angebot für psychisch kranke Menschen mit komplexem Leistungsbedarf Für psychisch kranke Menschen mit einem komplexen Leistungsbedarf müssten sich vernetzte, multiprofessionell aufgestellte und ambulant orientierte Angebote entwickeln, in denen Psychotherapeuten eine wichtige Rolle spielen. Mit Blick auf die stationäre Versorgung führte Harst aus, dass Patienten ein multimodales Versorgungsangebot auf der Basis einer psychotherapeutischen Grundhaltung erhalten sollten bei gleichzeitiger Wahrung der Behandlerkontinuität. Über die Qualifikation und die Anzahl des therapeutischen Personals könne eine evidenzbasierte Behandlung erreicht werden.

Zustimmung und Skepsis in der Diskussion In der anschließenden Diskussion des Vortrages äußerten einige Kammermitglieder ihre Zweifel daran, dass die vorgeschlagenen Koordinationsaufgaben von einzeln praktizierenden Psychotherapeuten geleistet werden können. Hier seien größere Einheiten gefragt, wie beispielsweise Praxisgemeinschaften oder MVZ. Auch sei in dem Vortrag zu wenig auf die übenden Verfahren eingegangen, deren Stellenwert zugenommen habe. Nach der Aussprache verabschiedeten die Kammermitglieder ihre Resolution zur Reform der Rahmenbedingungen für Psychotherapie, die sehr ausführlich den Reformbedarf begründet.

Weitergabe von psychotherapeutischen Praxen: Was ist zu beachten? Über rechtliche Möglichkeiten von Psychotherapeuten, die ihre Praxis weitergeben wollen, berichtete Rechtsanwalt Bernd Rasehorn in seinem Beitrag (Vortrag siehe Anhang). Vom regulären Nachbesetzungsverfahren über Job-Sharing bis zur Anstellung einer Psychotherapeutin bzw. –therapeuten, auch bis hin zum Praxisverkauf mit Anstellung und Rückumwandlung in Zulassung reichte die Bandbreite. Amelie Thobaben stellte aus psychotherapeutischer Sicht einige Aspekte dar, die bei der Weitergabe einer Praxis zu berücksichtigen sind (Vortrag siehe Anhang.

Für den Erhalt psychotherapeutischer Kassensitze Im Rahmen der Berichterstattung der Arbeit des Kammervorstandes seit Oktober 2013 bis jetzt (siehe Anlage), der allen Mitgliedern im Vorfeld zugegangen war, ging Kammerpräsident Karl Heinz Schrömgens ausführlich auf die Klage einer Kollegin gegen die Spruchpraxis des Zulassungsausschusses beim Verkauf ihrer Praxis ein. Er berichtete, dass auf Initiative von Kolleginnen und Kollegen ein Rechtshilfefond eingerichtet worden ist, um die Klage mit zu finanzieren. Seit Einrichtung des Fonds im März 2014 hätten die Mitglieder insgesamt 2200 Euro eingezahlt. Er bat um weitere Spenden. Zugleich rief er Kammermitglieder auf, die mit der Spruchpraxis des Zulassungsausschusses wegen des Verkaufs ihrer Praxis ebenfalls nicht einverstanden sind, dagegen zu klagen. Anschließend wurde die vom Vorstand vorgelegte Entschließung „Für den Erhalt psychotherapeutischer Kassensitze im Land Bremen“ nach kurzer Diskussion und Ergänzung verabschiedet. Auch die dritte Resolution zur Schließung des Studiengangs Psychologie an der Bremer Universität wurde nach kurzer Diskussion und kleinen Änderungen von der Versammlung verabschiedet.